Schematherapie – Das Leben neu erfinden
Amerikanische Verhaltenstherapeuten um Jeffrey Young stellten fest, dass sie mit vielen Patienten/innen nicht voran kamen, weil diese sich nicht auf Veränderungen einlassen konnten oder wollten. Sie erforschten, was die Hintergründe waren. Dabei stießen sie auf verschiedene Schutzmechanismen, die die Psyche aufbaut, um Sicherheit, Selbstwertstützung und Anerkennung zu erlangen. Die Schutzmechanismen werden jedoch zu Hindernissen in der Psychotherapie – wie auch im Leben.
Schematherapie ist eine von vielen Weiterentwicklungen der kognitiven Verhaltenstherapie.
Ich verwende den Begriff „Schema“ so, wie ihn Jeffrey Young geprägt hat. Unter Schema versteht er eine feste Abfolge von individuellen Verhaltensweisen (auch gedanklich und emotional) in einer bestimmten Situation. Schemata entstehen durch Ereignisse und Erfahrungen in der Kindheit, die sich eingeprägt haben und heute noch durch Überzeugungen, Vermeidungsstrategien, Fühl- und Denkmuster, Gewohnheiten oder Vorstellungen das Leben bestimmen. Sie sind zu verstehen als Schutzmechanismen, als Anpassungsprozesse oder als Vermeidungsstrategien.
Das betrifft eigentlich alle Menschen gleichermaßen, wir alle erlernen in unseren frühen Beziehungen prägende Bewältigungsstrategien, die uns glauben lassen, wir wüssten, wie das Leben wirklich ist und wie wir uns darin sicher bewegen können. Kurz- und mittelfristig sind diese Strategien durchaus erfolgreich, sie haben sicher auch ein größtmögliches Maß an Gesundheit in der Kindheit ermöglicht. Langfristig auf das Leben gesehen, können diese Strategien aber auch schaden und eine psychische Störung verursachen. Das tückische an einem Schema ist, dass man nicht merkt, dass es existiert und das Handeln steuert. Es wird eher dadurch zum Thema, dass immer wieder dieselben Probleme in Beziehungen, im Beruf oder im Alltag auftauchen. Etwas wiederholt sich und alles, was die Person versucht hat zu verändern, hat nichts geholfen.
Wenn Sie schon einmal versucht haben, eine schlechte Gewohnheit abzulegen, wie z.B. sich das Rauchen abzugewöhnen, dann wissen sie, wie schwer es ist, so etwas zu verändern. Dass Sie etwas verändern möchten, aber „nicht können“. So ist es auch mit Schemata. Sogar noch schlimmer, denn sie aufzugeben erscheint erst einmal gefährlich, es macht Angst, es erscheint als Risiko. Man möchte daran festhalten, weil es einmal eine gute Lösung gewesen war. Der psychische Schmerz, der das Schema einmal notwendig gemacht hat, will nicht wieder erlebt werden. Das ist verständlich.
In der Schematherapie erarbeiten wir deshalb zuerst ein Bewusstsein für das, was geschieht. Wenn dann klar wird, dass eine automatisierte Abfolge von Reaktionsweisen vorliegt und eine Veränderung vor Vorteil wäre, dann gehen wir an die Entstehungsgeschichte des Schemas. Dazu verwendet man in der Schematherapie die Arbeit mit Vorstellungsbildern, die die Patienten/innen spontan aus ihrer Kindheit erinnern, sobald sie sich auf ihre Emotionen einlassen. In diesen Szenen liegen die Ursprünge des schematischen Verhaltens und die Möglichkeit, alles zu verstehen, die Wahrheit zuzulassen und sich selbst neu zu erfinden. Aber auch, wenn man sich nicht an spezielle Ursprungsszenen erinnern kann, habe ich verschiedene andere Techniken zur Lösung des emotionalen Schmerzes, der einem Schema zugrunde liegt, erfolgreich erprobt.
Dann folgt das Üben im Alltag. Dazu braucht es Geduld und Selbstliebe. Es ist von zentraler Bedeutung in diesem Prozess wie auch bei allen Lernprozessen, dass die Patientin, der Patient lernt, sich selbst zu lieben. Und zwar nicht in in der Zukunft, wenn irgendein erwünschter Idealzustand erreicht ist, sondern genau hier und genau jetzt, mit all den Unfähigkeiten, Schwierigkeiten, körperlichen Beschwerden usw. Solange jemand sich innerlich verurteilt, ablehnt oder antreibt, wird sie/er in der Therapie, im Leben und in der persönlichen Entwicklung keine Fortschritte machen. Was Sie ablehnen, wird Sie boykottieren. Was Sie verurteilen, will nicht heilen. Was Sie nicht akzeptieren wollen, klebt an Ihnen. Es bedeutet nicht, dass Sie so bleiben werden, wie jetzt. Nein, im Gegenteil. Erst wenn Sie sich annehmen, sich selbst akzeptieren, liebevoll betrachten, mitfühlend mit sich sind, werden Ihre versteckten Potentiale freigesetzt und die Lösung ermöglicht.
Das Umsetzen der neuen Handlungsweisen kann dann ganz leicht gelingen, so wie man ein kleines Kind liebevoll über Hürden hinweg begleitet und zum Neuen anleitet.
Autorin: Dipl.-Psych. Lydia Decker
Buchtip zur Vertiefung: Jeffrey Young & Janet Klosko: „Sein Leben neu erfinden. Wie Sie Lebensfallen meistern.“ ISBN 978-3-87387-619-4